Siedlung Egonstr in Köln-Stammheim
Die Siedlung Egonstraße in Köln-Stammheim ist von Abriss bedroht. Immer, wenn ein Mieter auszieht oder verstirbt, wird das Haus abgerissen. Inzwischen sind es nur noch 50 von ehemals 80 Häusern. Vermieter ist die Stadt Köln.
Aktivisten besetzen Barackensiedlung ksta 11.11.2013
Weil die Stadt kein Geld hat, die Häuser einer Mülheimer Siedlung zu sanieren, werden sie nach und nach abgerissen – und das in Zeiten der Wohnungnot. Die Siedlung entstand nach dem Krieg aus Baracken eines Munitionslagers.
Mit einer Hausbesetzung protestiert die Initiative „Rettet unsere Veedel“ seit Sonntag gegen den schrittweisen Abbruch der Baracken-Siedlung an der Stammheimer Egonstraße. Am Mittag zogen Thomas Küven, Wilfried Stegemann und Daniel Fischer in das Haus Nummer 36 ein, das als nächstes weichen soll. „Die Stadt weiß nicht, wohin mit den Studenten und Flüchtlingen, da ist es einfach unverantwortlich, so zu handeln“, sagte Küven. Die Wohnungsnot sei schließlich eines der großen Themen in Köln. Barrikaden oder andere „wilde Dinge“ seien nicht geplant, „aber im Zweifelsfall lassen wir uns raustragen“, so Küven. Die Aktivisten, die sich bei der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim engagieren, rechnen damit, dass das Haus noch im Laufe dieser Woche abgebrochen wird.
Unterstützt wurde die Aktion von zahlreichen Anwohnern. Die Siedlung besteht aus einfachen Häusern, sie entstand nach dem Zweiten Weltkrieg aus Baracken eines Munitionslagers. Die Stadt vermietet die Häuschen für wenig Geld. „Wenn einer gestorben ist, wird abgerissen“, sagt Anwohner Kalla Hemmer. Offenbar sei der Stadt der Erhalt der Gebäude zu teuer. Bereits 20 der einst 70 Häuser seien dem Erdboden gleichgemacht worden.
Ein Nachbar kritisierte die Besetzung: „Alleine erreichen die nichts, es ist besser, sich mit der Stadt zusammenzusetzen.“ Das findet auch Mülheims Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs: „Eine Hausbesetzung ist ein Rückfall in die 1980er Jahre.“ Besser sei es, nach Lösungen zu suchen. Unter Umständen könne die Stadt die Häuser an die Mieter verkaufen.
Georg Hamacher war extra aus Ostheim nach Stammheim gekommen. Er machte den Akteuren Mut. So habe die Stadt in den 1970er Jahren die Ostheimer Siedlung von Klöckner-Humboldt-Deutz abbrechen wollen. „Dann haben wir Rabatz gemacht.“ Mittlerweile seien die Mieter Besitzer ihrer Wohnungen geworden.
Abriss der Egonstraße 36 vorerst verhindert
Pressemitteilung der Initiative „Rettet unsere Veedel“ 11.11.2013
Gestern hat die Initiative „Rettet unsere Veedel“ das leerstehende Haus Egonstraße 36 in Obhut genommen, um zu verhindern, dass ein weiteres Haus dieser Siedlung im Grünen dem Bagger zum Opfer fällt.
Heute morgen kam ein Herr Bock vom Liegenschaftsamt mit der Polizei, stellte Strafantrag gegen die „Besetzer“ und verlangte Räumung des Gebäudes, damit dieses zum Abbruch vorbereitet werden könne.
Mittlerweile sammelten sich bis zu 50 Anwohner vor dem Gebäude, um ihre Solidarität mit den Besetzern zu zeigen – zunächst Frauen mit kleinen Kindern, am Nachmittag kamen Schulkinder und Männer dazu. Anwohner stellten ihre Autos vor das Gebäude, um den Abbruchfahrzeugen den Zugang zu verwehren.
Es begannen langwierige Verhandlungen mit verschiedenen Politikern und Verwaltungsbeamten. Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs, der sich auswärts aufhielt, ließ fernmündlich mitteilen, dass er bereit sei, mit den Bewohnern der Siedlung zu verhandeln.
Von den Grünen schaltete sich der Vorsitzende des Liegenschaftsausschusses Jörg Frank ein. Er kündigte an, das Thema Siedlung Egonstraße auf die Tagesordnung der morgigen Sitzung des Liegenschaftsausschusses setzen zu wollen. Jörg Frank ließ verlauten, er sehe keinen Grund für einen Abbruch der Siedlung und kündigte eine Stellungnahme der Grünen an.
Das zuständige Liegenschaftsamt unter seinem Leiter, dem SPD-Mann Detlef Fritz, eskalierte währenddessen immer weiter – mit Deckung des Büros des Oberbürgermeisters unter seinem Leiter Michael Zimmermann. Es ließ einen Bagger anrollen, holte Abbrucharbeiter herbei und ließ die Bereitschaftspolizei aufmarschieren, um den Abbruch des Hauses gegen den Willen der Bewohner der Siedlung durchzusetzen.
Erst gegen 17 Uhr lenkte das Liegenschaftsamt ein, nachdem Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs sich eingeschaltet hatte. Man einigte sich mit den Besetzern auf das, was diese schon am Mittag angeboten hatten: Abzug gegen Aussetzung des Abbruches. Zunächst wurden der morgige Tag vereinbart. Bei einem anschließenden Gespräch verlängerte Amtsleiter Detlef Fritz die Frist bis zur Entscheidung des Bedschwerdeausschusses des Rates im Dezember, den die Bewohner angerufen
haben.
Völlig unklar blieb für die Bewohner der Siedlung wieder einmal, weshalb sie überhaupt weichen sollen. Angeblich weist der Flächennutzungsplan das Gelände der Siedlung als Grünfläche aus, obwohl sie seit 1945 besteht, weil die Nähe des Klärwerkes Stammheim angeblich die Ausweisung eines Wohngebietes verbiete.
Für den allmählichen Abbruch der Häuser wurden von Fritz andere Argumente ins Spiel gebracht: die Energieverordnung verbiete es der Stadt, Gebäude zu vermieten, die nicht auf dem neuesten Stand seien. Die energetische Sanierung aber sei nicht zulässig, weil dazu eine Baugenehmigung erforderlich sei, welche nicht erteilt werden dürfe, weil die Siedlung nicht als Wohngebiet ausgewiesen sei usw.
In der Egonstraße können diese Reden niemanden überzeugen. Für die Bewohner der Siedlung und ihre Freunde stellt sich von daher immer mehr die Frage, wer tatsächlich hinter dem Abbruch einer Siedlung steht, deren Bewohner diesen liebenswerten Flecken Erde mit eigenen Händen in mehr als 60 Jahren aus alten Munitionsbaracken geschaffen haben. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass hinter dem Abbruch ein Recyclingunternehmen in der Nachbarschaft stecke, das einem Ratsmitglied gehört.